Wie
lautet das erste Gebot? „Du sollst Gott lieben von ganzem
Herzen, von ganzer
Seele
und mit allen
deinen Kräften.“ Doch was bedeutet das? Sind damit die Gebote
gemeint und deren Erfüllung? Doch wohl kaum. Denn diese Aufforderung
ist ja ein Teil der Gebote.
Was
ist es also, das wir lieben sollen? - Den tiefsten
Kern, den Grund aller
Dinge.
Das Ewige.
Doch,
wer tut das schon? Wer kann das überhaupt? Wenn wir nämlich Gott so
liebten, wie gefordert, nämlich ganz,
dann wäre doch für anderes überhaupt kein Raum mehr.
Was
würde geschehen, wenn wir so Gott liebten? Lassen wir den
Kirchenvater Augustinus darauf antworten: „Wenn
die Seele etwas liebt, wird sie ihm gleich; wenn sie weltliche Dinge
liebt, wird sie weltlich, aber wenn sie Gott lieben sollte (so muss
man fragen), wird sie dann nicht zu Gott?“
Einer
vermochte das Gebot völlig zu erfüllen, aber das erschreckte die
Juden, die es doch hätten besser wissen sollen, so sehr , dass sie
ihn „suchten (...) nun noch mehr, ihn zu töten, weil er nicht nur
den Sabbat brach, sondern auch Gott
seinen eigenen Vater nannte, womit er sich selbst Gott gleich machte.
„(Joh. 5,18)
Es
gab und gibt aber auch Menschen, in denen die Gottesliebe größere
Ausmaße annahm, als man das gemeinhin aus den Reihen der Christen
kennt. So sagt Katharina von Genua, die hier für viele das Wort
führen mag, 'ich
empfinde eine solche Liebe zu Gott, daß alle Liebe zum Nächsten mir
im Vergleich zu jener zu Gott als eine Heuchelei erscheint'.
Oder Mme. Guyon: 'Ich
liebte Gott mehr als der leidenschaftlichste Liebhaber seine
Geliebte... Diese Liebe war so beständig und beschäftigte mich so
unablässig und so mächtig, daß ich an nichts anderes zu denken
vermochte.“
Der Weg des Glaubens führt nach Innen
Diejenigen,
denen Gott ihr eins und alles ist, bezeichnet man als Mystiker. Sie
sind Gott am nächsten. Kein Wunder, dass wir deshalb in ihrem Leben
so manches wunderbare Ereignis finden, aber auch so manchen Kampf.
Denn Gott so nahe zu kommen, wie es ihnen gelang, ist nicht so
einfach. Jedes Menschen Liebe ist erst einmal auf das Äußere
gerichtet und nicht auf das Innere.
Im
Äußeren sucht der Mensch Befriedigung, und nicht bei Gott. Wäre es
anders, bedürfte es gar nicht des ersten Gebotes.
So
wenig, wie die Juden Lust hatten dieses Gebot zu erfüllen, so wenig
haben es wir Christen. Mancher, der meint ein solcher zu sein, weiß
deshalb nichts besseres, als vor der Mystik und dem „Okkulten“ zu
warnen. Sie pochen auf „das feste Bibelwort“ und wollen sich
damit alle Berührung mit dem lebendigen Gott, die nur durch die
Überwindung der unterbewussten Kräfte („Fleisch“„Teufel“,
„Dämonen“ ) geschehen kann, fernhalten.
Trotzdem
man von Wiedergeburt und Taufe redet, lässt man einen Reinigungs-
und Heiligungsprozess nicht zu. Man bleibt unerneuert, in
fleischlicher Gesinnung stecken – aber überdeckt das mit einer
intensiven Beschäftigung mit der Bibel. Diese kann man schließlich
für jeden Anlass gut zitieren. Deshalb glaubt man auch ein guter,
gereifter Christ zu sein. Da alle anderen Glieder der Gemeinde, deren
man sich zugehörig fühlt, auch nicht anders sind, bekommt man
bestätigt, auf dem rechten Weg zu sein. Was für ein Irrtum!